Saarbrücker Zeitung

Erschienen: 08.03.1996 / SZ Martin Rolshausen

Der Ungeliebte

Eine Merziger Diskussion über Gustav Regler

Zum Auftakt des Max-Ophüls-Festivals wurde Ende Januar in Saarbrücken der vom Saarländischen Rundfunk produzierte Film „Brennendes Herz“ (Regie: Peter Patzak) gezeigt. Das „Tagebuch einer Flucht“, wie es im Untertitel heißt, beschreibt das Leben des Schriftstellers Gustav Regler. Nun wurde das Werk in Merzig, der Geburtsstadt Reglers, gezeigt. Am Mittwoch hatten die Merziger Gelegenheit, im Rahmen einer Podiumsdiskussion über den Film sowie die Person und das Werk Gustav Reglers zu reden.

Die Besetzung des Podiums hätte gegensätzlicher nicht sein können: Da ergänzten sich der laute Produzent Regisseur Martin Buchhorn (Leiter der SR-Abteilung Fernsehspiel) und der leise Drehbuchautor Georg Bense. Da griff Buchhorn („Ihr Regler-Buch ist überflüssig“) den Gymnasiallehrer Dr. Georg Rupp an. Und zwischen den Kontrahenten versuchten Reglers Nichte Annemay Regler-Repplinger der familiären und Merzigs Oberbürgermeister Dr. Alfons Lauer der lokalen Komponente zu ihrem Recht zu verhelfen.
„Der Film wird eine Katastrophe“. Das waren die ersten Gedanken von Annemay Regler-Repplinger, nachdem sie Benses Drehbuch gelesen hatte. So schlimm kam es dann zwar nicht. Aber „einige Irritationen“ gab es doch. Mit der filmischen Darstellung des älteren Regler (Hartmut Griem) war die Nichte zum Beispiel gar nicht zufrieden. „Mein Onkel war sehr viel emotionaler“, erinnert sie sich. Der Bruch, der durch das Auswechseln der Darsteller entsteht (junger Regler: Thomas Kretschmar), störte auch Georg Rupp etwas. „Der Wechsel der Schauspieler hätte sich chronologisch nach dem Spanischen Bürgerkrieg angeboten“, fand der Experte. Aber für Fachleute haben Buchhorn und Bense, die durchaus Fehler einräumten, den Film nun mal nicht gemacht. „Ich habe mein Drehbuch für ein Millionen-Publikum geschrieben“, entschuldigte Bense inhaltliche Defizite.
Der Film, den keiner schlecht nennen wollte, aber an dem jeder etwas auszusetzen hatte, war schnell in den Hintergrund getreten. Auch wenn Buchhorn immer wieder versuchte, seinen Film in den Mittelpunkt zu stellen. Wichtiger als Buchhorns Film war dem Publikum die Auseinandersetzung mit der jüngsten Vergangenheit ihrer Stadt Merzig. Der Stadt, die Regler in jungen Jahren verlassen hat. In die er zurückkehrte, um an der Saar gegen den „braunen Terror“ zu kämpfen. Und in der er nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder zu kurzen Verwandtenbesuchen auftauchte.
Geliebt wurde Regler in der Heimat nie. Das musste auch Bense erfahren, als er sich 1968 zu Dreharbeiten für seinen Regler-Dokumentarfilm „Moskau-Merzig-Mexico“ in der Kreisstadt an der Unteren Saar aufhielt. „Die Leute haben vor uns auf den Boden gespuckt“, erinnert sich der Drehbuchautor. 15 Jahre später kam es im Merziger Stadtrat zu ähnlich unwürdigen Szenen. Als dort darüber beraten wurde, ob man eine Straße oder einen Platz nach Regler benennen soll, hielt ein Ratsmitglied ein Straßenschild mit dem Namenszug Hitlers hoch und rief: „Wenn es eine Gustav-Regler-Straße gibt, wird es auch eine Adolf-Hitler-Straße geben“. Das Kommunalparlament einigte sich damals auf einen Gedenkstein.
Der Autor und die Schule
Daß man zum 100. Geburtstag Reglers am 25. Mai 1998 „über diesen Stein hinauskommt“, wünscht sich der Oberbürgermeister, Sein Vorschlag, eine Schule nach Regler zu benennen, fand den Beifall aller Diskutanten. Erst im vergangenen Jahr, bedauerte Regler-Repplinger, sei dieser Versuch in Dillingen gescheitert. Dort hat man sich für den unverfänglicheren Albert Schweizer entschieden. Überhaupt Regler und die Schule. Im Unterricht der gymnasialen Oberstufe wird er zwar gelesen. „Gewicht bekommt er aber erst, wenn sich das Kultusministerium dazu durchringt, Regler auch zum Abitur-Prüfungsstoff zu machen“, vermutet Georg Rupp.